Mit großer Sorge nehmen wir Künstlerinnen und Künstler in Bayern die Berichterstattung über einen radikalen Umbau der Welle Bayern 2 zur Kenntnis. Mehrere Stunden eigenständiges Kulturprogramm sollen im Frühjahr 2024 im Zuge einer weitreichenden Programmreform verschwinden. Bayern 2, das Kulturradioprogramm des Bayerischen Rundfunks, verzichtet künftig unter anderem auf eine eigene Büchersendung. Damit gibt es keine Sendung mehr, die wöchentlich über das literarische Leben in Bayern mit seiner großen Verlagslandschaft berichtet, in den deutschsprachigen Raum blickt und ebenso Weltliteratur vorstellt. Auch soll eine Sendung wie das Kulturjournal eingespart werden – und damit, so der Untertitel, Formate wie „Kritik-Dialog-Essay“. Wo können wir diese Inhalte und Formen künftig hören und wahrnehmen, wenn es eine solche Sendung nicht mehr gibt? In einer Zeit, in der Lautstärke und Geschrei die öffentlichen Diskussionen bestimmen, ist die Abschaffung eine folgenschwere Entscheidung.
Der Wegfall eines großen Teils der Kultursendungen im Programm von Bayern 2 führt aus unserer Sicht auch dazu, dass wir Künstlerinnen und Künstler – Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Musikerinnen und Musiker, Regisseurinnen und Regisseure, Theatermacherinnen und Theatermacher, Architektinnen und Architekten, Bildende Künstlerinnen und Künstler und andere – künftig immer weniger Raum bekommen, um unsere Arbeit sichtbar und hörbar zu machen, um ein öffentliches Podium für sie zu haben. Wo aber soll man Kultur noch entdecken, wenn es kein Forum zum Entdecken mehr gibt? Kunst und Kultur müssen sichtbar sein, benötigen Expertise der Vermittlung. Darauf verweist auch der Medienstaatsvertrag, in dem – in den Bestimmungen zum Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, im § 26 – eine Berichterstattung insbesondere zur Kultur gesetzlich festgeschrieben ist.
Nach dem Bekanntwerden der Pläne zur Streichung eines Großteils der eigenständigen Kultursendungen im Programm von Bayern 2 erklärte Programmdirektor Kultur Björn Wilhelm in einem Interview, es werde nicht an der Kultur gespart. Angesichts der vielen Sendungen, die von den Verantwortlichen zur Disposition gestellt worden sind, ist dieses Argument wenig überzeugend. Eine von Herrn Wilhelm behauptete Stärkung der Kultur in einer sogenannten „Primetime“ streut Kulturbeiträge in eine Fläche. Zudem drohen aus unserer Sicht wichtige Kulturthemen, die als nicht tauglich für diese Primetime erachtet werden, ganz aus dem Programm des Kulturradios zu verschwinden. Die Programmreform geht zu Lasten der linearen Hörerinnen und Hörer, für die das Radio ein täglicher Begleiter ist, auch und besonders in kulturellen Fragen.
Im November 2021 – in der Corona-Pandemie – initiierte BR-Intendantin Katja Wildermuth öffentlich eine große „Kultur-Offensive“ – zur Stärkung der Kultur in einer für die Kunst und Kultur sehr schwierigen Zeit. Zwei Jahre später befürchten wir Künstlerinnen und Künstler in Bayern eine ganz andere Kultur-Offensive: das Ende einer eigenständigen kontinuierlichen und vertiefenden Kulturberichterstattung, das Ende von Debattenkultur, das Ende kultureller Themensetzung im Programm von Bayern 2. Die Entwicklung steht aus Sicht der hier unterzeichnenden Künstlerinnen und Künstler auch gegen die im Medienstaatsvertrag festgeschriebene besondere Rolle der Kulturberichterstattung in den Programmen des Bayerischen Rundfunks. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind Grundpfeiler unserer Demokratie und unverzichtbar für die Auseinandersetzung mit der Kultur. In einer Zeit, in der die Sender der ARD vielfach Gegenwind erfahren, werden ausgerechnet Kulturprogramme verändert und eingespart. Die ARD gibt damit einen Teil Ihrer Kernkompetenz auf. Aus unserer Sicht ist das ein falscher und fataler Weg.
Offener Brief des VS Bayern