Lesungshonorare: Von gerechter Vergütung weit entfernt

VS-Medieninformation, Berlin, 14. März 2018

In keinem anderen Land der Welt ist die Lesung als Literaturvermittlung so beliebt wie in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Doch die wenigsten Autoren und Autorinnen erhalten eine gerechte Vergütung für ihre Leistungen, so die repräsentative Umfrage des NETZWERK AUTORENRECHTE, dem elf Schriftstellerverbände angehören.

Über 3.000 Lesungsveranstaltungen wird es während der Leipziger Buchmesse 2018 geben. Die meisten Autoren und Autorinnen erhalten für diese Arbeit kein Honorar – bei Buchmessen oft eine »Branchenüblichkeit«. Doch auch jenseits der Buchmessen hat die gerechte Vergütung für die Vortragsarbeit der Autoren und Autorinnen Seltenheitswert, so die repräsentative Umfrage. Die repräsentative Erhebung wurde von Daniel Carinsson (Autor, Sprecherteam „Das Syndikat„) konzipiert und ausgewertet. 652 professionelle Schriftsteller und Schriftstellerinnen gaben Auskunft über Vergütung und Bedingungen ihrer Lesungen.

Die Erhebung zeigte, dass den vom Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) empfohlenen Mindestsatz von 300 Euro oft nur renommierte Autoren und Autorinnen oder Bestseller-Namen erhalten. Die Durchschnitts-Gagen für das Gros der schreibenden Zunft liegen zwischen 178 bis 196 Euro, nur jeder dritte bekommt die nötige Übernachtung oder Anreise bezahlt. Für die wenigsten sind Lesungen ein Erwerbsfaktor, als Ausnahme gelten Viel(vor)leserinnen wie Kinder- und Jugendbuchautoren.

Während sich der Gender Pay Gap schließt (Männer erhalten durchschnittlich 206 Euro, Frauen 190), so öffnet sich die Schere zwischen Jungen und Älteren: Jüngere mit niedriger Gagenforderung werden häufiger gebucht als Über-60jährige, die den Mindestsatz verlangen. »Wir hören vermehrt, dass Autoren und Autorinnen kein Honorar für ihre Vortragsarbeit, auch bei kostenpflichtigen Veranstaltungen, angeboten wird«, so Eva Leipprand, Bundesvorsitzende des VS. »Die Rechtfertigungen reichen, von ‚kein Etat‘ bis hin zu ‚ist doch Werbung für dich‘. Auf diese Weise subventionieren Schriftsteller die lokale Kultur, aber bleiben selbst auf der Strecke.«

»Werbung ist keine verlässliche Währung«, ergänzt Nina George, Beirätin des Bundesvorstands. »Von der Kommune kurz gehaltenen Kulturbetrieben oder von ehrenamtlichen Veranstaltern wird zu oft an den guten Willen der Autoren und Autorinnen appelliert. Niedrigpreise aber sollten freiwillige Ausnahmen, nicht die erzwungene Regel sein.«

»Eine Lesung ist immer auch eine Dienstleistung, die sorgfältige Vorbereitung und Arbeitszeit umfasst«, so Janet Clark, Präsidentin der „Mörderischen Schwestern“ und Jugendbuchautorin. »Eine gute Lesung ist der wesentlichste Beitrag zur Leseförderung: Gerade junge Menschen entdecken über Lesungen ihr Interesse für Literatur.«

Der Leiter der Umfrage, das SYNDIKATs-Sprecherratsmitglied Daniel Carinsson, stellte fest: »Viele Kollegen und Kolleginnen ‚verkaufen‘ sich auch unter Wert«. Im Schnitt gingen die meisten mit 257 Euro als Gagenforderung in die Verhandlungen, bei Jüngeren sei der Hang zur Selbstausbeutung sehr hoch. Dabei gäbe es durchaus Anlass für mehr Selbstvertrauen: In keinem anderen Land der Welt ist die Lesung als Literaturvermittlung so beliebt wie in Deutschland. Literaturfestivals, Lesungen in Buchhandlungen oder Schulen: Lesungen entwickeln sich zu Events, die die Literatur in die Mitte der Gesellschaft bringen, Gelder und lokale Attraktivität im Städte-Topos generieren, und einen essentiellen Ausgleich zu der Leseflucht im digitalen Alltag liefern.

Das sollte Veranstaltern und Kommunen etwas wert sein.

Für das NETZWERK AUTORENRECHTE:

Eva Leipprand
VS-Bundesvorsitzende

Nina George
Mitglied im VS Bundesvorstand

Janet Clark
Präsidentin Mörderische Schwestern

Jens J. Kramer
Das Syndikat, Sprecherteam

Daniel Carinsson
Das Syndikat, Sprecherteam und Leiter der Umfrage