Eine digitale Bühne für Künstler:innen

Digitale Bühne

VS-Mitglied Ulrike Schäfer hat die „Digitale Bühne“ getestet. Dieser Beitrag erschien bereits 2023 im Newsletter des VS Bayern.

Wer während der Pandemie Veranstaltungen im digitalen Raum, z. B. mit Zoom, durchgeführt hat, kennt das Problem: Latenz – die verzögerte Übertragung des Gesprochenen. Die Auftretenden müssen (etwa bei gemeinsamer Moderation) sehr darauf achten, sich nicht gegenseitig ins Wort zu fallen.

Wegen dieser Verzögerung können bestimmte künstlerische Beiträge von vornherein nicht online dargeboten oder auch nur geprobt werden: etwa synchron gesprochene Texte oder gemeinsame Text-Musik-Beiträge. Aber auch dialogische Stücke sind problematisch, weil immer wieder unnatürliche Pausen zwischen den Sprechenden entstehen.

Die eigentlich für Konferenzen und Workshops entwickelten Tools wie Zoom sind überdies auch akustisch und visuell künstlerischen Anforderungen meist nicht gewachsen. Musikalische Beiträge leiden dabei besonders unter der mangelhaften Tonqualität.

Die „Digitale Bühne“

In den letzten Monaten konnte ich wiederholt eine Online-Plattform testen, die von vornherein für künstlerische Ansprüche konzipiert ist: Die „Digitale Bühne“ (www.digital-stage.org). Da ich häufig mit Musiker:innen auftrete, stand am Ende ein „Echttest“ in einem der oben beschriebenen Szenarios: ein gemeinsamer rhythmischer Text-Klang-Part zusammen mit einem Jazz-Gitarristen, bei dem wir darauf angewiesen sind, uns gegenseitig synchron zu hören. Das Ergebnis war sehr überzeugend. Es war keinerlei Latenz zu bemerken, wir konnten das Stück proben, als wären wir im gleichen Raum. Auch die Ton- und Bildqualität war deutlich besser, als wir das von Zoom-Auftritten kannten.

Die Digitale Bühne bietet noch mehr Möglichkeiten, die ich nur auszugsweise getestet habe. Erwähnt sei, dass auch hörspielartige Effekte möglich sind: Man kann unterschiedliche Sprecher:innen „im Raum verteilen“, sodass etwa eine Stimme als weiter entfernt wahrgenommen wird als die anderen.

Mein Fazit: Wer – auch jenseits der Pandemie – Online-Auftritte plant oder mit Künstler:innen zusammenarbeitet, die andernorts wohnen, dem kann ich empfehlen, diese Bühne näher anzuschauen und zu erproben.

Zu den Kosten: Stand heute kann die Digitale Bühne zwei Wochen kostenlos getestet werden. Danach beläuft sich die Monatsgebühr für ein Quartett auf 25 €. Es muss kein dauerhaftes Abonnement abgeschlossen werden.

Einige technische Details

Man benötigt die übliche Ausrüstung, eine Webcam und ein Mikrofon (eingebaut oder separat). Darüber hinaus sind kabelgebundene Kopfhörer erforderlich. Detaillierte Infos finden sich auf der Website.

Es gibt die Digitale Bühne in drei Ausprägungen:

  • Die einfachste Variante läuft im Webbrowser. Hier ist die Latenz etwas höher als bei den anderen Varianten. Für die meisten Veranstaltungsformen von Autor:innen dürfte diese Version aber genügen.
  • Die zweite benötigt zusätzlich eine Software, die auf dem PC installiert wird. Diese Variante habe ich zusammen mit dem Jazz-Gitarristen getestet.
  • Für die dritte ist ein externes Gerät erforderlich. Diese Variante ist v. a. für Musik-Ensembles gedacht und wird für die Anwendungsfälle von Autor:innen in aller Regel nicht nötig sein.

Wer nicht nur online proben, sondern auch online auftreten möchte: Die Digitale Bühne bietet zwar den Bühnenraum, aber sozusagen nicht den Zuschauerraum. Anders gesagt: Sie unterscheidet nicht zwischen Auftretenden und Gästen, alle sind sichtbar und hörbar (oder können dies zumindest sein). Für kleine Veranstaltungen kann das gut und gewollt sein und eine intensive, intime Atmosphäre schaffen. Für andere Fälle kann man den Auftritt der Künstler:innen auf der Digitalen Bühne durchführen und diesen mit zusätzlicher Software (OBS) beispielsweise nach Youtube streamen, d. h. live fürs Publikum dort verfügbar machen.

Unterstützung und Informationen

Wer vor der Technik zurückschreckt, kann den Support in Anspruch nehmen. Es werden auch Workshops und wöchentliche Online-Sprechstunden angeboten. Über beide Kanäle kann man weitere Informationen zu den Anwendungsmöglichkeiten erhalten. Die Digitale Bühne ist ein gemeinnütziges Projekt und wird u. a. vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert. Das bedeutet, dass die Unterstützung der Künstler:innen bei der Anwendung als Teil des Digitalen Bildungsauftrags verstanden wird.

Informationen gibt es unter www.digital-stage.org.

Ulrike Schäfer