Nachruf Reinhard Knodt

Reinhard Knodt 2016. Foto: Hans Jürgen Neubert

Ein wichtiger Impulsgeber, ein kultureller Generator, ein Veranlasser, ein Philosoph und Literat ist überraschend von uns gegangen: Reinhard Knodt (13.10.1951-20.12.2022).

Er war stets Grenzgänger, Bewohner zweier Welten – einerseits lebte er in Berlin, wo er als Dozent an der Universität der Künste Vorlesungen und Seminare hielt, andererseits gründete er in der fränkischen Provinz den „Schnackenhof“ als Philosophiesalon und Denkort in einem großen Garten direkt am Pegnitzufer. Reinhard Knodts literarisch-fotografische Publikation „Aber kommen Sie doch mit hinunter zum Fluss …“ ist mehr als die Skizze einer minimalistischen Reise, sie ist eine Liebeserklärung an diesen Ort.

Zuerst lernte ich Reinhard Knodt auf Papier kennen. Sein philosophisches gelbes Reclam-Büchlein „Ästhetische Korrespondenzen“ schlug total in mich ein, wie man noch heute an den vielen handschriftlichen Markierungen in meinem Ur-Exemplar nachvollziehen kann. Da gab es also jemand, der für das, was ich seit Jahren mit vielen Künstlern praktizierte, ein philosophisches Fundament lieferte. Sofort nahm ich Kontakt mit Reinhard Knodt auf und bat ihn, ein Vorwort für ein Korrespondenz-Projekt von mir zu schreiben „Astarte und Venus – eine foto-lyrische Annäherung“.

Von da an gab es viele Kreuzungspunkte in unser beider Leben und Schaffen – zum Beispiel die Nürnberger Autorengespräche, Vernissagen und Lesungen, ich wurde sein Nachfolger als Abenberger Turmschreiber und er meiner beim Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Künste, Reinhard sprach zu Vernissagen in meiner Galerie und ich las in seinem Schnackenhof schräge Geschichten. Ich besuchte ihn in Berlin und er mich in Binzwangen und gemeinsam träumten wir davon, die Literatur und die Kunst auf unsere Art zur Grundlage eines gelungenen Lebens zu machen.

Reinhards Knodts Abschluss und auch Höhepunkt seiner philosophischen Arbeit war für mich 2017 das Buch „Der Atemkreis der Dinge“. Dieses Buch der „Atmosphären“, denn das bedeutet „Atemkreis“, beschließt seine theoretische Arbeit – stilistisch elegant, überzeugend dargelegt und ein Genuss zu lesen.

Seit 2020 war Reinhard Knodt Vorsitzender der „Akademie für west-östlichen Dialog der Kulturen e.V.“ Die Begriffe „Ost“ und „West“ sind hier vielstimmig aufzufassen, sie umfassen nicht nur Beziehungen von Orient zu Okzident, sondern auch den kulturellen Begegnungsraum des „Westens“ der drei Buchreligionen, (also Christentum, Judentum, Islam) mit den Kulturkreisen Indien, China, Korea, Japan, usw. So arbeitet die Akademie an der Idee einer weltweit einzigen Kultur, die im Prinzip längst besteht …

Die Akademie und das Schnackenhof-Projekt wollen den Traum vom „arkadischen Leben“ realisieren – idyllisch, malerisch, romantisch, fern von unserer kalten, übertechnisierten Welt. Es geht um Zufriedenheit, Bescheidenheit und ein Leben im Einklang mit der Natur und sich selbst.

Dazu passt auch Reinhard Knodts letzte große Vision: Das ehemalige Nazi-Parteitagsgelände in Nürnberg nicht zu sanieren. Er wünschte sich für die Zukunft der großen Steintribüne eine „gärtnerische Lösung“, eine Rückgewinnung des Geländes durch die Natur. Gras und mehr solle die Brutalität der Nazi-Architektur besiegen.

Der Literat Reinhard Knodt hat über viele Themen geschrieben und letztendlich immer über sich selbst.

30 Jahre liegen zwischen seinen Publikationen, „Das Haus“ (1987) & „Schmerz“ (2017), die wie literarische Selbstporträts anmuten. Beide haben das Scheitern zum Thema, die Krankheit und den Verfall und sind letztendlich doch die Sehnsucht nach einem geglückten Leben. Rigoros benutzt Reinhard Knodt seine Literatur als Spiegel seiner selbst und seiner nie endenden Sehnsucht nach Liebe. Sie schimmerte in vielen seiner Geschichten zwischen den Zeilen und am deutlichsten wird dies in seinem Band „Undinen“ (2015):

„Undinen sind nämlich die letzte Möglichkeit, der Verfallenheit an die Liebe eine Form zu geben! Und nichts spricht gegen die Liebe, auch wenn sie immer wieder verunglückt. – Ja sie muss verunglücken, wenn sie so unbedingt ist, wie sie sein soll. Und so tröstlich ist es dann, dass sie immer wieder beginnt…“

Ich hoffe, mein lieber Freund Reinhard, du bist nun an einem Ort, wo die Liebe glückt.

Gerd Scherm, 26. Dezember 2022